Unsere Offizierspinasse
Viel wissen wir nicht über die Geschichte des Schiffes. Die Boote dieser Schiffklassen wurden wahrscheinlich auf mehreren Werften gebaut, so zum Beispiel auf der Bootswerft Schweers in Bardenfleth/Weser, die seit 2001 zur Lürssen-Gruppe gehört. Mögliche Werften sind auch die Hatecke-Werft in Drochtersen oder die Everswerft in Niendorf. Konstrukteur der Pinasse war Herr Kurt A.H. Oehlmann (Schiffbauingenieur, Travemünde). Dies geht aus uns vorliegenden Kopien der originalen Bau- und Ausrüstungszeichnungen hervor. Weitere Unterlagen sind bei den Werften nicht mehr erhältlich, diese sind durch Hochwasser und andere Ereignisse verloren gegangen.Dieser Bootstyp war u.a. als Kommandantenboot auf Tenderschiffen (Versorgungsschiff), so zum Beispiel auf den Tendern Elbe, Mosel und Main im Einsatz. Die Pinasse gehört der Schiffklasse 936 an, von der lt. Schiffsnummerverzeichnis etwa 15 Stück gebaut wurden, nur wenige waren mit 70PS motorisiert und mit Sonderausrüstungen wie Schleuderscheiben, Suchscheinwerfer und Selbssteueranlage ausgerüstet. Von der Schwesterklasse 935 - Pinassen aus Holz ohne Kajüte, als Verkehrsboot ebenfalls u.a. auf den Tenderschiffen eingesetzt - wurden ca. 24 Stück gebaut, eine davon, die Pinasse "Nordwind" (ehemals Beiboot des Tenders "Saar" der Bundesmarine), wird im Yachtclub Kassel für Hafenrundfahrten eingesetzt. Eine weitere Pinasse dieser Bauart wird bei der Marinekameradschaft Heilbronn gepflegt, auf der Kieler Förde wird die Pinasse Aegir für Rundfahren (Stichwort "Seemannschaft") genutzt. Für die Ausbildung für den Sportbootführerschein wurde in Flensburg die Pinasse Hans Haack genutzt. Über deren Verbleib ist uns nichts bekannt. In Le Somail am Canal du Midi haben wir eine weitere offene Pinasse entdeckt.
Die Schiffsklasse 935 wurde später durch die Klasse 954 ersetzt. Sie unterscheidet sich optisch nicht von der 935, wurde allerdings aus GFK gefertigt. Eine Pinasse dieser Bauart war bis Juni 2006 im Marinehafen Olpenitz im Einsatz. Weitere Pinassen werden in der Marineschule Mürwik an der Flensburger Förde zur Ausbildung genutzt. Dort konnte ich eine der Pinassen der Klasse 954 über die Förde steuern.
Ob die Klasse 936 einen Nachfolger hatte ist uns nicht bekannt, es gibt aber Fotos von Pinassen aus GFK mit Kajüte. Ob es sich dabei um Umbauten der Klasse 954 handelt, wissen wir nicht. Etwa Anfang der achtziger Jahre wurde unsere Pinasse von der Marine ausgemustert, sie ist seitdem in Privatbesitz. Seit dieser Zeit lag die Pinasse im Yachthafen "Munkmarsch" auf Sylt, ab 1989 dann in Husum und an der Eider.
Von den mit Kajüte gebauten Pinassen gab es neben unserer und den oben aufgeführten noch weitere, die bis vor kurzem bei der Bundeswehr im Einsatz waren. Sie wurden außer Dienst gestellt und standen bei der Vebeg zum Verkauf. Über weitere Pinassen ist uns bisher nichts bekannt.
Der Begriff Pinasse wird unterschiedlich erklärt. Laut Wikipedia wird die Bezeichnung Pinasse (Pinasse, aus dem Französischen, stammt vom lateinischen pinus = Kiefer, d.h. ursprünglich aus Kiefernholz) für die unterschiedlichsten Boots- oder Schiffstypen verwendet. Außerdem ist der Ausdruck Pinasse Bestandteil der Oeconomischen Encyclopädie (1773 - 1858) von J. G. Krünitz, deren Online-Version von der Uni Trier zur Verfügung gestellt wird:
Pinasse, oder Pinnasse, Engl. Pinnace, heißt bey den Engländern die Schaluppe, welche zur Bequemlichkeit der Officiere des Oberstaabs dient. Die für den Flaggenofficier oder Admiral bestimmte, heißt Barge, ist größer und führt selten weniger als zehn Riemen, da hingegen die Pinasse nie mehr als acht hat.
Pinasse heißt: zweytens auch ein kleines Fahrzeug, welches Skuner Takelasche führt, und auch zum Rudern eingerichtet ist.